Marina Baranova
Der Ursprung unseres Universums
Das neue und sechste Album „Cosmic Calendar” der ukrainischen Pianistin und Komponistin Marina Baranova stellt wieder einmal die umfassende Qualität der Musikerin in den Vordergrund. Wie schon bei den Vorgänger-Alben „Atlas of Imaginary Places“ oder „White Letters“, hat sie auch ihr neuestes Werk selbst komponiert. Die Pianistin wuchs in einer musikalischen Familia auf: Ihre Mutter unterrichtete Klassik, ihr Vater Jazz. Somit kam sie von klein auf mit zwei verschiedenen musikalischen Welten in Berührung und erlernte die Kunst der Improvisation. Als hochtalentierte Pianistin, die ihr Handwerk zunächst in ihrer Heimatstadt Charkiw erlernte, es später an der Hochschule in Hannover zur Meisterschaft brachte, beherrscht sie ihr Instrument mit einer selbstverständlichen Leichtigkeit. Dazu kommt eine natürliche synästhetische Begabung, also die Fähigkeit Töne als Farben zu sehen. All dies zusammen macht die Musik von Marina Baranova zu etwas ganz Besonderem. Das Album „Cosmic Calendar“ ist auf der einen Seite eine philosophische Betrachtung über die Entstehung unseres Universums, auf der anderen Seite eine tiefgehende Reise in die innersten Gedankenwelten von Marina Baranova selbst. Für jeden Monat eines Jahres hat sie ein Stück komponiert. So stellt sie sich die Geschichte unseres Universums – vom Urknall bis zur Entstehung des Lebens und der Menschen darin – vor. „Jeder Monat steht für einen bedeutenden Meilenstein und weist gleichzeitig Parallelen zur persönlichen Entwicklung auf“, schreibt die Pianistin im Beiheft des Albums und erklärt weiter: „Er beschreibt verschiedene Phasen, wie die Befreiung grenzenloser Möglichkeiten durch den Urknall (Particles of Freedom), den Abkühlungsprozess (Becoming Transparent), der zu klaren Perspektiven, Selbsterkenntnis (The Inner Gravity), einem Gefühl von »Flow« inmitten unzähliger Möglichkeiten (Gliding on the Milky Way) führt, das Aufgeben von Überzeugungen und das Gefühl der Trauer (Requiem for a Supernova), bis hin zur Geburt der Hoffnung (Birth of the Sun), der romantischen Beziehung zwischen der Erde und dem Mond (Celestial Serenade), der Bildung der lebenswichtigen Ozonschicht (Air) und schließlich der Entstehung der Menschheit (You and me and everything around us).“
Zunächst war dieses Album als reines Piano Album gedacht, doch hier und da ergaben sich nötige Ausnahmen. So wird sie im Stück „Birth of the Sun“ (August) von der Weißrussin Olga Heydrich an der Querflöte und dem Ukrainer Vadym Pogorilyy am Horn einfühlsam unterstützt. Auch beim Stück „Celestial Serenade“ (Oktober) wurde die Aufnahme mit Kana Sugimura aus den USA an der Violine und der Niederländerin Martha Bijlsma am Cello erweitert. Beide Musikerinnen leben in Hannover und spielen normalerweise im Flex Ensemble.
Marina Baranova hat dieses Album ihren beiden Kindern Alvina und Tilda gewidmet. Zusammen mit den beiden, sowie mit ihrem Mann Damian Marhulets, der wieder einmal das Cover ihres Albums gestaltet hat, lebt sie seit vielen Jahren in Hannover, fernab ihrer von Krieg und Zerstörung betroffenen Heimat. Dennoch ist sie täglich mit Freund:innen, Lehrer:innen und Familie in der Ukraine verbunden. Schon auf ihrem Album „White Letters“ brachte sie ihre Trauer, ihre Sehnsucht und die Liebe zu ihrer Heimat zum Ausdruck. Auch das neue Album birgt dieses Gefühl. Im Beiheft schreibt sie: „Mit diesem Projekt möchte ich vermitteln, dass das Universum und wir, die Menschen auf der Erde, miteinander verbunden sind. Wenn man diese Tatsache aus einer solchen globalen Perspektive betrachtet, bleibt kein Raum für Hass und Krieg.“