Concerto Köln & Marie-Sophie Pollak
Leitung: Max Volbers
WENN ZWEI SICH STREITEN…
Manchmal beginnt ein musikalischer Disput nicht mit Pauken und Trompeten, sondern mit spitzer Feder. Im Jahr 1737 veröffentlichte der deutsch-dänische Komponist und Musikkritiker Johann Adolph Scheibe (1708–1776) eine Glosse in seiner Zeitschrift „Der Critische Musicus“. Zielscheibe seiner fast schon bösartigen Spitze war kein Geringerer als Johann Sebastian Bach (1685–1750). Ohne ihn beim Namen zu nennen, kritisierte er dessen Kompositionsstil als „verworren“ und „schwülstig“. Die Antwort folgte prompt: Der Rhetorikdozent Johann Abraham Birnbaum sprang seinem Freund Bach öffentlich zur Seite. Und so entbrannte ein Streit, der sich über Jahre hinzog. Diesem Konflikt widmet sich nun das renommierte Ensemble Concerto Köln gemeinsam mit zwei jungen Gästen: Die aufstrebende Sopranistin Marie-Sophie Pollak fühlt sich in der Barockmusik zu Hause und vereint scheinbar mühelos historisches Stilgefühl mit lebendiger und differenzierter Ausdrucksstärke. Der Blockflötist und Cembalist Max Volbers bringt sein ganzes Können und seine fundierte Erfahrung im Bereich der Alten Musik ein und übernimmt die Leitung des Ensembles von Cembalo und Orgel aus. Er lässt es sich aber nicht nehmen, für ein Stück (der Sonata zu „Himmelskönig, sei willkommen“ BWV 182) auch zur Blockflöte zu greifen und den Solo-Part zu übernehmen. Außerdem hat er das Programm konzipiert und einige bislang nicht eingespielte Werke Scheibes ediert.
Das Album „Bach vs. Scheibe“ wird am 05.09.2025 beim Label Berlin Classics veröffentlicht. Diesem Streit nähert sich das auf historische Aufführungspraxis spezialisierte Orchester auf musikalischem Wege. Werke von Bach und Scheibe – darunter nicht weniger als vier Ersteinspielungen – werden einander gegenübergestellt. Concerto Köln stellt hierbei eine große klangliche Flexibilität unter Beweis und ist von einer kleinen kammermusikalischen Formation bis hin zum großen Orchester mit Pauken und Trompeten zu erleben. Statt eines Zwists entsteht auf diese Weise ein Dialog. Dieser beginnt mit Bachs strahlender Arie „Jauchzet Gott in allen Landen“, deren Virtuosität in der prachtvollen Bearbeitung von Wilhelm Friedemann Bach noch gesteigert wird. Scheibe kontert mit der Arie „Edle Unschuld, gib die Gründe“, in der seine Liebe zur galanten Melodik und stilistischen Klarheit hörbar wird.
Ob Instrumentalwerke wie Bachs selten gespielter Sinfonia D-Dur BWV 1045, die Sinfonia zu „Ich hatte viel Bekümmernis“, vokale Preziosen wie „Süßer Trost, mein Jesus kömmt“ oder Scheibes empfindsame Arien – jedes Stück wird zur Argumentation im klingenden Streitgespräch. Und so beinhaltet dieses Album mehr als nur Musik zweier Zeitgenossen. Es zeigt vielmehr den Wandel vom Hochbarock zur Klassik und ist Ausdruck eines ästhetischen Generationenkonflikts. Concerto Köln lädt ein, Vorurteile zu prüfen und über Geschmack zu diskutieren. Vor allem aber bietet „Bach vs. Scheibe“ das Vergnügen, historisch informierte und lebendig interpretierte Musik zu genießen. Wenn zwei sich musikalisch so brillant „streiten“, dann freut sich das Publikum!