Matthias Kirschnereit & Francisco Fullana
Musikalisches Weltbürgertum von Francisco Fullana und Matthias Kirschnereit
Der eine ist Deutscher, wuchs in Namibia auf, lebt heute in Hamburg und tourt als Pianist durch die Welt. Der andere stammt von der spanischen Insel Mallorca, lebt heute in New York und beeindruckt immer wieder durch hochemotionales Geigenspiel. Francisco Fullana und Matthias Kirschnereit, zwei Musiker mit kosmopolitischem Geist, haben sich 2018 in Polen kennengelernt. Ihr erstes gemeinsames Album, das am 6. Juni 2025 bei Berlin Classics erscheint, trägt folgerichtig den Titel „COSMOPOLITAN“. Es vereint Werke eines Franzosen, eines Tschechen und eines Polen und erzählt eine musikalische Geschichte voller Kontraste, Emotionen und kultureller Vielfalt.
Die Initialzündung für ihre Zusammenarbeit war eine Einladung zum Krzyzowa Festival Music for Europe in Niederschlesien. Dort trafen Fullana und Kirschnereit erstmals aufeinander, um Ignacy Paderewskis Violinsonate op. 13 zur Aufführung zu bringen. Beide kannten das spätromantische Werk des polnischen Komponisten und späteren Staatsmannes bis dahin nicht, doch schon bei den ersten Proben spürten sie eine außergewöhnliche musikalische Verbindung. Die Sonate, ein leidenschaftliches Bekenntniswerk, das Paderewski dem spanischen Geiger Pablo de Sarasate widmete, wurde zum Grundstein ihrer künstlerischen Partnerschaft. Das Debüt des Duos geriet zum gefeierten Erfolg, und schnell war klar: Diese Zusammenarbeit sollte weitergeführt werden.
Mit der Zeit erweiterten die beiden Musiker ihr Repertoire, und aus den gemeinsamen Konzerten entstand die Idee zu einem Album. Neben Paderewskis opulenter Sonate wählten sie Claude Debussys g-Moll-Sonate, ein Werk, das in vielerlei Hinsicht als Gegenpol zum polnischen Stück erscheint. Debussys 1917 entstandenes Meisterwerk ist ein Paradebeispiel für französische Eleganz und musikalische Reduktion. Entstanden während des Ersten Weltkriegs, wollte sich Debussy bewusst von deutschen Einflüssen distanzieren und sich auf das musikalische Erbe Frankreichs besinnen. Die Sonate, die er selbst mit „Musicien français“ unterzeichnete, besticht durch ihren dialogischen Charakter und eine faszinierende Mischung aus Zartheit und Energie. Für Fullana und Kirschnereit ist sie der ideale Einstieg in die imaginäre Erzählung ihres Albums.
Doch was sollte das verbindende Glied zwischen diesen beiden so unterschiedlichen Sonaten sein? Die Wahl fiel auf Leoš Janáčeks Violinsonate, ein Werk, das sich jeder konventionellen Einordnung entzieht. Janáček arbeitete sieben Jahre lang an dieser Sonate, die 1922 in ihrer endgültigen Form veröffentlicht wurde. Sie ist geprägt von schroffen Kontrasten, nervösen Gesten und einer emotionalen Dichte, die Francisco Fullana als „Musik von einem anderen Planeten“ beschreibt. Die vier Sätze der Sonate vereinen träumerische Episoden, volksliedhafte Melodik und fast rustikale Ausdrucksformen mit dunklen Abgründen. Für die beiden Musiker war es eine Herausforderung, die richtige Balance für dieses rätselhafte Werk zu finden, das stark von Janáčeks persönlichem Schicksal und der psychoanalytischen Gedankenwelt seiner Zeit geprägt scheint.
Die Aufnahmen zu „COSMOPOLITAN“ entstanden in der vertrauten Atmosphäre Mallorcas, einem Ort, der für beide Musiker eine besondere Bedeutung hat. Die Janáček-Sonate, die sich durch ihre spontane und unkonventionelle Wirkung auszeichnet, bildet das zentrale Kapitel des Albums. Sie verbindet Debussys feinsinnige Erzählkunst mit Paderewskis heroischem Pathos und schafft so eine dramaturgisch schlüssige Brücke zwischen den beiden Polen des Programms.
Den Abschluss des Albums bildet Paderewskis a-Moll-Sonate, ein Werk von beeindruckender handwerklicher Präzision und emotionaler Intensität. Mit ihrem kraftvollen Gestus und der unerschütterlichen Geradlinigkeit bietet sie einen kathartischen Schlusspunkt, der die musikalische Reise von „COSMOPOLITAN“ auf sinnvolle Weise abrundet. Francisco Fullana und Matthias Kirschnereit ist mit diesem Album ein ebenso tiefgründiges wie mitreißendes Porträt des musikalischen Fin de siècle gelungen — eine Hommage an die Vielfalt und verbindende Kraft der Musik.