Sharon Kam
FÜR JEMANDEN, DER MIT SEINER SEELE SPIELT
„Ausdrucksvoll, unterbewertet, wunderbar“ – das sind die drei Worte, mit denen die Klarinet-tistin Sharon Kam die Musik von Paul Hindemith spontan im Gespräch beschreibt. Sie verbin-det viele Erinnerungen mit dieser Musik: „Ich habe Hindemith schon als Kind häufig gehört. Meine Mutter, eine Bratschistin, spielte und hörte ihn oft – er selbst war auch Bratscher und komponierte viel für dieses Instrument. Seine Musik faszinierte mich immer und seine musika-lische Sprache berührt mich sehr.“ So ist es seit vielen Jahren eine Herzensangelegenheit für Sharon Kam, die Musik Hindemithts nicht nur live im Konzert zu spielen, sondern auch endlich einmal im Studio aufzunehmen. Das hr Sinfonieorchester teilt ihr Interesse an Hindemith, sagt sie, und so wählte sie das Ensemble ganz bewusst aus, um mit ihm das Klarinettenkonzert aufzunehmen, im Wissen, „dass sie das Stück fantastisch spielen werden.“ Paul Hindemith wurde 1895 in Hanau geboren und 1963 im nur knapp 20 Kilometer entfernten Frankfurt beer-digt. In Frankfurt ausgebildet, wurde er im Jahr 1915 Konzertmeister des Frankfurter Opern-orchesters. So ist es kein Zufall, dass gerade das hr Sinfonieorchester sich mit seiner Musik eng verbunden fühlt.
Sein Klarinettenkonzert aus dem Jahr 1947 schrieb er allerdings schon im US-Exil und wid-mete es keinem Geringeren als dem Jazz-Klarinettisten Benny Goodman. „Es ist vor allem das Gespräch zwischen der Klarinette und dem Orchester, das mich immer wieder begeis-tert.“ sagt Sharon Kam über das Stück. „Es beinhaltet alle Ausdrucksmöglichkeiten, ist wun-derbar für mein Instrument komponiert und meisterhaft orchestriert. Hindemith wollte sich in Amerika als Komponist etablieren und hat es geschafft ein vollkommenes Stück für Benny Goodman, der damals auch als klassischer Klarinettist einen großen Namen hatte, zu schrei-ben. Im Stück sind keine Jazz-Elemente zu finden, trotzdem bemerkt man, dass es für einen Meister des Instrumentes geschrieben ist, für jemanden, der mit seiner Seele spielt.“
Auch für das Quartett aus dem Jahr 1938 und die Sonate für Klarinette und Klavier von 1939 sammelte Sharon Kam Hindemith-Liebhaber und enge Freunde um sich. Mit dem Pianisten Enrico Pace spielt sie schon seit Jahren Hindemiths Sonate auf Konzerten und auch mit der Violinistin Antje Weithaas, sowie mit dem Cellisten Julian Steckel, ist Sharon Kam seit vielen Jahren befreundet: „Mit Antje Weithaas habe ich das Quartett schon vor 10 Jahre auf Tour-nee gespielt. Mit Enrico und Julian habe ich ein gemeinsames Trio. Also war es für mich ganz klar, dass es diese Besetzung sein muss!“
Das Jahr 1938 war für Paul Hindemith ein sehr Einschneidendes. Auf der Flucht vor den Nati-onalsozialisten emigrierte er zunächst in die Schweiz, später in die USA. Dieses Ereignis spüre man deutlich in seinem Quartett, sagt Sharon Kam. „Es sind keine lustigen Momente darin. Es wirkt wie ein wunderbares, großes Meisterwerk. Sehr melancholisch, überlegt und ernst.“ Dazu steht die Sonate für Klavier und Klarinette, die nur ein Jahr später entstanden ist, schon fast im Gegensatz. Hier kann die Klarinettistin alle Farben und Nuancen ihres Instru-ments, von der Tiefe bis in die hohen Lagen, von langsam bis fröhlich-schnell komplett aus-kosten. Ein Fest für die Klarinette!
„Ich wünsche mir viel mehr von Hindemith im normalem Konzertbetrieb“, schwärmt Sharon Kam, „Seine Musik sollte zum Kernrepertoire der Klassik gehören. Er hat eine wunderbare Klangsprache und viele seiner Stücke sind fantastisch. Alle drei Werke dieser Aufnahme ge-hören für mich auf jeden Fall dazu.“