Tamar Halperin
HARMONISCHE VERBINDUNG AUS VERGANGENHEIT UND GEGENWART
Die israelische Pianistin und Cembalistin Tamar Halperin ist überaus vielseitig. Für ihr Musikstudium an der Universität von Tel Aviv beendete sie ihre Karriere als Tennisspielerin. Sie schrieb ihre Doktorarbeit über kompositorische Verfahren in Bachs Instrumentalmusik und ist Spezialistin für den Barock. Gleichzeitig ist sie eine erfolgreiche Interpretin klassischer sowie zeitgenössischer Musik. Im Jahr 2010 & 2014 gewann sie zusammen mit Michael Wollny und dem „Wunderkammer“-Projekt den Echo Jazz Award. Und 2016 wurde sie gemeinsam mit ihrem Ehemann, dem Countertenor Andreas Scholl, mit dem Hessischen Kulturpreis für kulturelle Brückenschläge ausgezeichnet.
Die Vielseitigkeit der Tastenvirtuosin spiegelt sich auch in ihrem aktuellen Album „Ground“ wider, das am 30. Mai 2025 beim Label Neue Meister auf CD und auf Vinyl veröffentlicht wird. Tamar Halperin setzt Werke alter Meister wie Bach, Frescobaldi und Buxtehude in Bezug zu Werken von Zeitgenossen wie Craig Armstrong, Michael Wollny und Francesco Tristano. Die in Hessen heimisch gewordene Künstlerin macht sich die Musik all dieser Komponisten zu Eigen, indem sie sie mit viel kreativer Energie neu arrangiert, überarbeitet und mit eigenen Kompositionen ergänzt.
Insgesamt vier eigene Kompositionen von Tamar Halperin befinden sich auf diesem Album. „Baustelle #1, 2, 3 & 4“ können als eine Art Einführungsreihe in verschiedene Werke von Johann Sebastian Bach beschrieben werden. Kernelemente der ursprünglichen Kompositionen wie Metrum, Rhythmus, oder Form werden beibehalten, während Bachs vertraute Harmonien absichtlich durch Dissonanzen und unerwartete Wendungen unterbrochen werden. Auf diese Weise setzt Tamar Halperin Akzente zeitgenössischer Musik. Die Reihe ihrer Eigenkompositionen wird durch zwei Werke alter Meister unterbrochen: die „Canzonetta BuxWV 225“ von Dieterich Buxtehude (1637-1707), welche ursprünglich für Kirchenorgel komponiert wurde und von Tamar Halperin mit einem analogen Synthesizer gespielt wird. Und die „Toccata Prima“ von Girolamo Frescobaldi (1583-1643). Ein Werk, das auf Grund seiner Experimentierfreude noch heute zeitgenössisch wirkt.
Das Album enthält darüber hinaus eine Überarbeitung von der „Toccata Composed in 2021 for solo piano“ des luxemburgischen Pianisten und Elektrokomponisten Francesco Tristano und eine neue Version von „Mesmer“ des Jazzpianisten Michael Wollny. Die ursprüngliche Fassung hat Tamar Halperin 2009 zusammen mit Wollny für das Album „Wunderkammer“ aufgenommen.
Bei drei Werken auf diesem Album handelt es sich um Ersteinspielungen: 1. „In Daylight Variation“ des schottischen Filmkomponisten Craig Armstrong: Das Stück wurde ursprünglich für Klavier solo komponiert. Tamar Halperin hat es zusammen mit dem deutschen Produzenten und Synthesizer-Künstler Guy Sternberg für Klavier, Rhodes Piano und Synthesizer instrumentiert. 2. „Forgotten Song“ des israelischen Jazzpianisten und Komponisten Omer Klein. Das ebenfalls für Klavier solo komponierte Stück hat Tamar Halperin mit zwei Klavierstimmen aufgenommen: eine für die Melodie und die andere für die begleitenden Harmonien. Und 3. der Titelsong „Ground“ des israelischen Mega-Popstars und Singer-Songwriters Idan Raichel. Das Werk hat eine sich wiederholende Basslinie, ähnlich eines Basso Ostinato, die dem Stück eine barocke Note verleiht. Die Harmonien erinnern darüber hinaus an Bach. Der 7/8-Takt hingegen erinnert eher an nicht-westliche Volksmusik.
Zwei zentrale Begriffe nennt Tamar Halperin im Booklet-Text als Ausgangspunkt ihres Albums: “Ground” und Freundschaft. “Ground” steht für das musikalische Mittel, bei der eine ostinate Basslinie als Fundament dient, über der Melodien improvisiert oder komponiert werden. Viele Musikrichtungen von Barock bis Pop und Techno greifen dieses Mittel auf. Für Tamar Halperin symbolisiert Ground eine Verbindung zwischen Vergangenheit und Gegenwart, weil es Beständigkeit und Veränderung zugleich darstellt. „Man könnte sagen, dass unsere gemeinsame Menschlichkeit der verbindende Faden ist. Unsere Menschlichkeit ist der Grund. In dieser metaphorischen großen Struktur existiert keine Melodie für sich allein. Jeder Klang, jeder Komponist und jedes Genre ist Teil einer größeren Kette, verbunden durch Geschichte, Einfluss und Kontext. Sie sind alle miteinander verbunden. Das habe ich vor Augen, wenn ich Kompositionen aus dem Jahr 1600 neben neueren Werken aufführe oder ein barockes Cembalo einem Synthesizer gegenüberstelle. Für mich sind das nur Variationen eines einzigen Themas, nämlich Musik,“ schwärmt Tamar Halperin. Das zweite zentrale Thema des Albums ist Freundschaft. Tamar Halperin beleuchtet es von zwei Seiten. Da ist zum einen ihre tiefe Verbundenheit für die alten Meister, deren Werke sie schon immer begleitet und beschäftigt haben. Und zum anderen die Freundschaft zu den lebenden Komponisten, die sie stets inspirieren haben. „Ihre Musik aufzuführen ist ein Zeichen meiner Bewunderung, Dankbarkeit und Liebe,“ betont Tamar Halperin.
Das Album „Ground“ spannt einen roten Faden über Jahrhunderte. Tamar Halperin verbindet auf unverwechselbare Weise barocke Meisterwerke mit zeitgenössischen Kompositionen, Cembalo mit Synthesizern und Tradition mit Innovation. Ein zutiefst persönliches Album, das die zeitlose Kraft der Musik feiert. Hier treffen Vergangenheit und Gegenwart in Harmonie aufeinander.